Pick me

Ich habe in letzter Zeit so wenig Lust, zu schreiben. Gestern habe ich sogar das erste Mal seit langem wieder mal an die Vertrautheit einer Beziehung gedacht. Ich weiß, wann das passiert. Wenn ich eine besonders große Sehnsucht nach Liebe habe. Es ist sogar eher körperlich. Das Gefühl, dass mich jemand im Arm hält, mir über den Kopf streichelt und meine Hand hält und ich jemanden atmen spüre, ganz nah.

Es ist genau dieses Bedürfnis, das sich meldet. Sicherlich ist es jetzt schon ein Jahr her bald, seitdem ich das gefühlt habe. Das war übrigens mit dem Schriftsteller, nicht mit dem Italiener.

Ich tausche mich mit wunderbaren Menschen aus, würde sagen dass ich authentischer bin als noch vor Jahren, doch diese Liebe fehlt mir. Das ist ein ganz spezieller Schmerz. Er ist in diesen Momenten so groß, dass ich mich sehr verletzlich fühle. Ganz leer irgendwie, als ob die letzte Liebe jetzt aus mir hinaus geflossen ist und nun ist der Vorrat leer. Ich habe das Gefühl, dass man es mir ansieht: Ah, seht, da ist eine ungeliebte Frau, eine Single-Frau.

Ich auf Dating-Apps? Ich hab den Bezug verloren. Jedenfalls zu den klassischen, gängigen. Ironischerweise werde ich so oft draußen angesprochen, wie noch nie zu vor. Ich muss fast einfach nur ein bisschen länger irgendwo rumsitzen. Ich misstraue aber diesen Männern per se. Pick-up Artists, Player, Gigolos tun das, flüstert es in mir. Tue ich manchen unrecht? Ich werde es nie erfahren, denn ich lass mich auf niemanden ein.

Ich fühl mich ganz komisch in dieser Hinsicht, vielleicht tatsächlich ein bisschen, als ob ich die Hoffnung verloren hätte. Den Glauben.

Mein Leben läuft gegen Ende des Jahres wirklich gut. Ich habe einige wunderbare Menschen kennen gelernt, Dinge auf den Weg gebracht, die mir etwas bedeuten. Jobmäßig hat sich einiges erfüllt. Ich lektoriere jetzt tatsächlich Bücher, die ich mag 😀 Der Wechsel war wichtig.

Doch mir fehlt Liebe, Liebe in einer vertrauten Beziehung. Ohne Drama, ohne Lüge, ohne Unsicherheit, ohne Distanz.

Ich fühle mich so unglaublich alt. Ich habe den Fehler gemacht in letzter Zeit einige Jane Austen Romane zu lesen. Die schwelgen alle genauso in diesem liebessehnsüchtigen Szenario und heiraten dann doch alle. Im Alter zwischen 18 und 26. Happy End.

Darüber hinaus ist Ende Gelände, alte Jungfernzeit, keine Chance mehr. So wie Jane Austen selbst stets unverheiratet blieb und mit 41 starb.

Wie konsequent ich mich von all diesen Drama-Beziehungen frei gemacht habe in diesem letzten Jahr, unausgegorene Männer die nur ein schaler Heiltrank waren gegen das Symptom der Liebessehnsucht. Ich habe nun keine Bauchschmerzen mehr, seitdem ich sie weglasse, aber ich bin trotzdem hungrig. Vielleicht spüre ich es jetzt umso stärker, da ich nicht durch das anhaltende Drama abgelenkt bin?

Wann gewöhnt man sich daran, wann findet man sich final damit ab, dass man diese aufrichtige Liebe wohl nicht mehr erfahren wird?

Gerade wenn man nicht mehr bereit ist, aus Wunschdenken heraus die Augen zu verschließen, oder die Brotkrümel anzunehmen, die man hier da bekommen könnte.

Es schmerzt mich, dass ich meine kostbare Zeit mit so vielen Idioten verbracht habe. Und doch verstehe ich es, wie Menschen trotz Lügen, Untreue, Drama sich gegenseitig wärmen, um wohl irgendwie Mensch zu bleiben.