Deutsche Ästhetik

Körperschmuck stört, praktische Kleidung plus pragmatischen Kurzhaarschnitt nicht. Bunte Nägel tragen nur Tussis und Lidl-Fleisch ist doch einwandfreie Qualität.

„Hast du heute noch was vor?“ wenn frau ein seidiges Kleid trägt.

Na, die hat bestimmt nix in der Birne, denn die trägt Make-up. Dieser schneidige Kurzschluss brillierte schon immer mit sauberster Oberflächlichkeit.

Graue Wollhosen im Winter, mit Fahrradhelm im Büro mehr geerntete Anerkennung, als mit sorgfältigen ausgewählten Röcken, die in leuchtenden Farben das eisengrau der Chefinnen-Hose Ute wegstrahlen.

Zu Weihnachten wird das 925er Sterling Silberschmuck-Set von 2000 ausgepackt. Ist ja anlässig genug, nä?

„Opferstolz“ nannte ein Journalist neulich die Berliner Mentalität, alles Schöne, Hochwertige zu verbrennen, zu verschandeln, zu zerstören.

Deutschland ist so wunderschön. Die Natur, manche Architektur, die Sprache. Doch ich komme mit dieser Nachkriegs-Nicht-Ästhetik der Deutschen nicht klar, der eigenen Ablehnung des Körpers, der eigenen Ignoranz, des puren Hasses gegenüber des Schmückens, Formens und Zuwendung des eigenen Seins.

Praktisch und günstig, Geiz ist Geil, manchmal kann ich es nicht mehr ertragen. Farb- und Einfallslosigkeit wird als Natürlichkeit gepriesen. Die Deutschen lehnen sich selbst so ab, dass sie immer wieder, wie zwanghaft, ihr Selbst, ihre Identität im Anderen suchen. Belehren und bestimmen, als Retter und Erklärer aufspielen und sich immer weiter verlieren. Anstatt zu sein, zu zelebrieren. Nach einer kleinen Deutschland-Auszeit plärren mich nach meiner Rückkehr wütende „Finger weg von Plastiktüten!“-Plakate an. Deutschland erhebt den Zeigefinger so hoch, bis er im eigenen Arsch landet. Immer und immer wieder. Das Land leidet eindeutig an SDE (Small Dick Energy) 😀 😀

Ich muss an meine Großtante denken, die, vor vielen Jahren in Deutschland wieder zu Besuch, an Deutschland nichts mehr weiter fand, als die sauberen Straßen.

Immerhin etwas.