bloggen

Ich mag mir manchmal gar nicht alte Blogeinträge durchlesen. Nicht, weil ich etwas bereue, sondern weil in den allermeisten Posts so unglaublich viele Gefühle stecken, manchmal so detailliert aufgeschrieben, dass ich sofort wieder drin bin. So ähnlich wie wenn man Sonnencreme im Winter riecht. Schon ist man wieder im Freibad, im Wasser, am See und erinnert sich an die wärmende Sonne.

Dieser Blog ist wie eine mumifizierte Kim. Emotionen wurden konserviert und ich kann sie wann immer ich will nochmal nachspüren.

Manches davon hat jedoch schon lange nichts mehr mit der heutigen Kim zu tun. Mein Leben ist ruhig geworden, seitdem ich nicht mehr Dating-Kim bin und ich mich nicht mehr in jedes „Abenteuer“ werfe, was sich mir anbietet.

Das fühlt sich gut aber auch seltsam an.

Ruhe. Keine Dramas. Keine spannenden Geschichten. Keine Reisen in Hotels oder andere Städte und Länder. Wobei das falsch ist. Das passiert alles trotzdem, bloß ohne Lovestory/Dramedy oder sonstige Seifenoper, die besonders einer Person fortwährend die Show gestohlen hat: mir selbst.

Wie einfach es ist, sich in einem Liebessumpf zu verlieren, mit all dem Schlamm und Modder eigene leere Ecken auszufüllen und Löcher zu stopfen. Wie viel einfacher es ist, sich über unerwiderte Liebe, gemeine Lover und unzulängliche Typen zu ärgern und beschäftigt zu halten, als die Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst.

Dabei ist es so ein schönes Thema, die Liebe. Was war mit der Liebe zu mir selbst in all den Jahren? Ich habe mich oft selbst wie einer dieser unzuverlässigen Tinder-Boys von damals behandelt: Ich habe mich selbst geghosted, mich nicht für mich interessiert, mir zugehört und oft nicht zurückgerufen. Mich in falsche Kleider gezwängt und nicht gemerkt, dass mir die Farbe einfach nicht steht.

Jetzt hab ich mich selbst im Arm und weiss manchmal nicht, was ich mit mir anfangen soll – so ohne Dramatik. Manchmal fühle ich mich so, als schau ich mich ratlos in einem leeren Zimmer um, nachdem ich den alten Plunder rausgeräumt habe und weiss nicht, was tun.

Natürlich stimmt es nicht, dass es komplett leer ist – aber es ist schon ziemlich luftig 😀

Mir geht es manchmal unglaublich gut. Und das Schöne ist: Wenn es mir gut geht, wenn ich was tolles mache, ist da kein halbgares Würstchen im Hintergrund, auf dessen Antwort ich warte oder wo ich mir das Hirn zermarter, weshalb er dieses oder jenes tut oder nicht. Ich weiss noch, wie ich nach meinem Uni-Abschluss im Urlaub mit meinem Papa war an einem wirklich traumhaften Ort und es gar nicht so recht genießen konnte, weil irgendein Arschloch sich nicht nach mir erkundigt hat, und mich die Tatsache dieser offensichtlichen Interessenlosigkeit einfach dermaßen runtergezogen hat. So etwas wäre heute undenkbar. Würde sich ein Kerl so gleichgültig verhalten, würde der einfach keine Antwort mehr bekommen, wenn ich ihm dann nach ein paar Wochen wieder in den Sinn komme.

Das Thema Männer ist trotzdem ein ambivalentes. Denn meine nahezu vollkommene Interessenlosigkeit macht mir manchmal ein wenig Sorge. Wenn ich nun gar nichts mehr in diese Richtung unternehme, dann sinkt ja auch die Chance, eine wirklich tolle Beziehung auf Augenhöhe zu führen. Ich bin momentan etwas ratlos, vielleicht sogar hoffnungslos, weil ich gar nicht weiss, wie und wo ich denn einen Mann finden sollte, der dem entspricht.

Auf Tinder und Co?

Seitdem ich die Standards aus der untersten Schublade ein paar Etagen heraufgestockt habe, kann man diese Apps gut und gerne vergessen. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie ich es da ausgehalten habe zwischen so viel Sexismus, Übergriffigkeit, Ghosting, Ignoranz, Reptilienbesitzern und schlichter Bedürfnisbefriedigung. 😀

Der Blog wird sich grundlegend ändern. Müssen.

Künstlerin sein

Das erste Mal habe ich darüber nachgedacht in einem italienischen Restaurant, das winzige Stühle und eine stadtbekannte Pasta bietet. Ich war dort mit meiner Mutter und wir hatten vor über einen Roman von Sybille Berg zu sprechen, den wir gelesen hatten.

Künstlerin zu sein, das fand sie auf eine Art sowas von nicht nahe liegend, sodass ich spürte, dass sie es nicht mal ansatzweise mit mir in Verbindung brachte. Ich könnte jetzt beleidigt sein, doch mittlerweile, nach all den Stunden Psychoanalyse, weiss ich doch, dass das begrenzte Denken meiner Mutter genau DER Grund ist, weshalb sie es nie wurde und ich dieses ultra konservative Denken auch übernommen habe. Ohne auch nur einmal darüber nachgedacht zu haben, dass es eine Möglichkeit wäre. Ich glaube, viele denken man ist nur Künstler, wenn man super erfolgreich ist. Und nur dann ist es legitim sich Künstler nennen zu dürfen. Ich halte das für genau das: Begrenzt und vorurteilsbelastet. Nicht jeder der in einem 0815-Job arbeitet, egal welche Branche ist super erfolgreich. Und das nicht immer nur, weil jemand nicht gut genug ist. Nicht jeder, der in einem 0815-Job arbeitet, hat viel Geld. Und oftmals auch keine Zufriedenheit.

Wie viele Künstler waren zeit ihres Lebens NICHT erfolgreich, reich und berühmt?

Wohl die meisten. Und von wie vielen Künstlern, die leben und gelebt haben. werden wir nie etwas hören oder sehen? Demzufolge anzunehmen, dass sie dann gescheitert wären, halte ich für einen unglaublich vermessenen Maßstab. Denn das Künstlersein ist eben genau das erstmal: Eine Berufung. Ein Beruf. Ein Sein. Und ich erachte ein Leben eher dann „erfolgreich“, wenn jemand nach seinen Werten und Neigungen gelebt hat. Und nicht nur das gemacht hat, was man so macht, laut meiner Mutter und vielen anderen Boomern. Boomer-Denke, die mich natürlich auch geprägt hat. Boomer, die sich heute beschweren, dass Gen Z heute keine 12h mehr arbeiten will. Ihre Lebenszeit nicht für unbekannte CEOs und Manager verkauft.

Letzens führte ich eine Unterhaltung mit einem Banker über genau das: Sein Leben so zu gestalten, wie es einem entspricht. Dass die Einteilung von Arbeitszeit und Freizeit eine Erfindung des Kapitalismus ist, eine Folge der Industrialisierung und oft bewirkt, dass der Mensch größtenteils an sich selbst vorbei lebt. Dieser Gedanke stammt übrigens von Joseph Beuys und wurde sicherlich nicht von mir das erste Mal gedacht. Besagter Gesprächspartner lachte daraufhin nur und meinte: Ja sooo, dann müsste ich wohl ein radfahrender Tischtennis-Profi sein, der sich durch Restaurants durchtestet hahahahha.

Ich fands traurig. Seinen tristen Bankersjob gewinnt er nämlich nicht viel ab, lebt nur für die paar Stunden Freizeit und findet Hemdentragen kacke. Aber die Konditionen seien gut. Das heißt, er trägt sein verhasstes Hemdchen jeden Tag zu guten Konditionen und reißt es sich nach 10 Stunden Maskierung für ein paar Abendstündchen vom Leib. Unglück zu guten Konditionen.

Mich befremdet das immer mehr, diese Sicht. Dabei geht es auch gar nicht um den Job per se. Denn es gibt Menschen, die gehen da wirklich drin auf. Genauso wie meine Schulfreundin, Steuerfachangestellte, die ihren Job leidenschaftlich liebt. Ohne Ironie.

Aber diesen Anspruch, dass es das Leben wert sei, sich selbst jeden Tag wohin zu schicken, womit man eigentlich nichts zu tun hat? Oder nur macht, weil man stolze 35 Tage im Jahr Urlaub hat von diesem Job?

Das beliebsteste Boomer-Argument ist dann oft: Ja, aber diese Jobs wie Müllabfuhr, Verkaufer, etc pp, die MÜSSEN ja auch gemacht werden! Den Luxus kann sich eine Gesellschaft eben nicht erlauben, dass sich jeder einen Job aussucht, der einen „Glücklich“ macht!

Und genau hier sehe ich schon die Basis des Übels: Wie abgehoben und arrogant ist es eigentlich, Verkäufer-Jobs, Müllabfuhr, Bestatter etc als weniger toll zu betrachten? Darin liegt ja schon so ein ekliges Statusdenken zugrunde, welches „solche“ Jobs abwertet. Und die Sache ist ja die: Wie viele Menschen sitzen in prestigeträchtigeren Jobs in ihren klimatisierten Powerstühlen vorm Laptop und sind eigentlich kreuzunglücklich und wären evtl. bei der Müllabfuhr viel besser aufgehoben, weil sie dann einen direkten Austausch hätten ohne viel Firlefanz und sich am Ende des Tages körperlich ausgelastet fühlen und nicht an Hans-Peter Rudolf aus der zweiten Chefetage denken, der einen heute im Meeting übersehen hat?

Wenn wir die Jobwahl zur Typfrage und nicht zur Prestigefrage machen würden, würden auch mehr Menschen in den passenderen Jobs sitzen.

Ich persönlich kann es mir nicht mehr vorstellen, nur für die wenigen Momente Freizeit oder für die paar Urlaube zu leben, die dann nur noch Flucht sind.

Ich glaube auch, dass vieles, was wir dann in unserer erkauften Freizeit so tun, nichts als Flucht ist vor unserem Leben.